Stärkste Grippewelle seit Jahren – ab Oktober gegen Influenza impfen lassen
- Dr. Christian Lunow
- 2. Sept.
- 5 Min. Lesezeit
Die Grippewelle 2024/25 war die zweitstärkste seit 2017/18. Das geht aus dem aktuellen Epidemiologischen Bulletin (35/2025) des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervor. Insgesamt dauerte die Welle 16 Wochen an – und das, obwohl die Grippeschutzimpfung in dieser Saison laut RKI gut zu den zirkulierenden Viren gepasst habe. Was bringt die Grippeschutzimpfung wirklich und wer sollte sich impfen lassen?
Die Grippe – eine ernste Gefahr oder nur eine „stärkere Erkältung“?
Es ist eine Frage, die sich viele Menschen jedes Jahr aufs Neue stellen: Lohnt sich die Grippeschutzimpfung überhaupt noch? Schließlich hört man oft, dass die Wirksamkeit schwanke, die Impfstoffe „nicht immer passen“ oder die Grippe doch „harmlos“ sei.
Richtig ist: Die Grippe (Influenza) ist keine „stärkere Erkältung“, sondern tatsächlich eine ernsthafte Erkrankung, die jedes Jahr zu zahlreichen Arztbesuchen, Arbeitsausfällen und in schweren Fällen auch zu Krankenhausaufenthalten führt. Besonders in starken Grippesaisons kann sie das Gesundheitssystem erheblich belasten.
Grippe tritt plötzlich auf, verursacht hohes Fieber, starken Husten, Kopf- und Gliederschmerzen und legt Betroffene oft tagelang lahm. Jüngere Menschen sind oftmals widerstandsfähiger gegen die Erkrankung und erholen sich häufig schneller – vielleicht ein Grund, dass die Influenza manchmal mit einer Erkältung verwechselt wird. Tatsächlich kann die Grippe auch bei jüngeren Menschen starke Beschwerden hervorrufen und vor allem bei Älteren lebensbedrohliche Komplikationen verursachen.

Typisch für eine Grippe: Sie betrifft nicht nur Kopf und Atemwege, sondern den ganzen Körper. Akute Beschwerden reichen von Fieber, Erschöpfung, über Atemwegsentzündungen mit Halsschmerzen oder Husten bis hin zu Muskel- und Gelenkschmerzen – oft über eine Woche.
Zudem kann es zu Komplikationen kommen, wie Lungenentzündung, Herzmuskelentzündung oder Verschlechterung bestehender chronischer Krankheiten (z. B. COPD, Herzschwäche, Diabetes). Nach schweren Infektionen berichten viele von längerer Erschöpfung („postvirales Fatigue-Syndrom“), das Wochen anhalten kann.
Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Kleinkinder, Schwangere und Menschen mit Vorerkrankungen. Bei ihnen kann eine Grippe tödlich verlaufen.
Auch gesellschaftlich hat die Grippe Folgen: Grippe führt regelmäßig zu hohen Krankenständen. Ganze Betriebe, Schulen oder Pflegeeinrichtungen können zeitweise lahmgelegt sein.
Bringt die Grippeschutzimpfung überhaupt etwas?
Die Saison 2024/25 war die zweitstärkste seit 2017/18. Über Wochen hinweg waren mehr als die Hälfte aller eingesandten Proben positiv. Besonders betroffen waren Kinder im Schulalter.
Das Überraschende: Die Impfstoffe passten ziemlich gut. Wie das RKI mitteilte, entsprachen die analysierten Viren weitgehend den im Impfstoff enthaltenen Stämmen. Die Schutzwirkung („Vaccine Effectiveness“) lag bei stationär behandelten Fällen sogar bei rund 69 Prozent – ein beachtlicher Wert, wenn man bedenkt, dass kaum eine andere saisonale Impfung jedes Jahr neu angepasst wird.
Die Grippeschutzimpfung bringt also ganz erheblichen Nutzen. Wo liegt also das Problem? Die Antwort: Bei den niedrigen Impfquoten. Nur rund 43 Prozent der über 60-Jährigen waren geimpft – in den jüngeren Altersgruppen lag die Quote sogar deutlich darunter, bei Kleinkindern bei gerade einmal 3 Prozent. Das bedeutet: Selbst wenn der Impfstoff gut passt, entfaltet er auf Bevölkerungsebene weniger Wirkung, weil zu wenige Menschen ihn nutzen.
Wer sollte sich gegen Grippe impfen lassen?
Grundsätzlich gilt: Jeder, der sich schützen möchte, kann sich gegen Influenza impfen lassen. Für Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Verläufe oder für Menschen mit direktem Kontakt zu diesen Risikogruppen spricht die Ständige Impfkommission (STIKO) eine besondere Empfehlung aus. Zu diesen Personengruppen zählen:
Alle Personen ab 60 Jahren (mit zunehmendem Alter nimmt die Leistungsfähigkeit des Immunsystems ab, sodass Infektionen häufiger schwer verlaufen)
Schwangere ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel – bei chronischen Erkrankungen bereits ab dem 1. Drittel
Personen mit chronischen Erkrankungen, z. B.: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen (z. B. Asthma, COPD), Diabetes mellitus oder andere Stoffwechselstörungen, Erkrankungen der Nieren oder Leber, geschwächtes Immunsystem (z. B. durch Medikamente oder HIV)
Bewohner von Alten- und Pflegeheimen
medizinisches Personal sowie Personen mit viel Publikums- oder Patientenkontakt
Haushaltsangehörige und enge Kontaktpersonen von Risikopatienten (z. B. pflegende Angehörige, Eltern kleiner Kinder mit chronischen Erkrankungen)
Wie viel kostet eine Grippeschutzimpfung?
In den meisten Fällen übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten der Influenza-Schutzimpfung. Das gilt vor allem für alle Versicherten, auf die sich die Empfehlung der STIKO bezieht. Eine Kostenerstattung ist aber auch für Menschen unter 60 Jahren möglich. Sie zahlen die Impfung zunächst selbst. Nachträglich können sie sich die Ausgaben meist von der Krankenkasse erstatten lassen. Patienten sollten aber vorab mit dem Arzt sprechen und sich mit ihrer Krankenkasse in Verbindung setzen.
Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Grippeimpfung?
Die jährlichen Infektionszahlen erreichen in Deutschland meist nach der Jahreswende ihren Höchststand. Da es bis zu 2 Wochen dauern kann, bis sich der Impfschutz vollständig aufgebaut hat, sollte eine Grippeimpfung idealerweise im Herbst bis Mitte Dezember verabreicht werden. Um einer Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit zuvorzukommen, empfiehlt sich ein Zeitpunkt Mitte Oktober. Aber auch im Verlauf der Grippewelle kann es noch von Nutzen sein, eine Impfung nachzuholen. Die Grippewelle 2024/25 dauerte zum Beispiel bis Anfang April an.
Pünktlich zu der neuen drohenden Grippewelle stehen zudem in den Arztpraxen die neuen Impfstoffe für die Saison bereit. Sie werden jedes Jahr passend zu den voraussichtlich kursierenden Virusstämmen hergestellt. Zu diesem Zweck sammelt die WHO Daten von Krankheitswellen der Südhalbkugel. Denn Virusvarianten, die sich dort vorrangig ausbreiten, werden zeitversetzt mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch in unseren Breiten kursieren.
Kann man trotz Grippeschutzimpfung krank werden?
Ob und wie hoch der Schutz einer Impfung vor einer Erkrankung ist, hängt von vielen Faktoren ab. Allgemein lässt sich allerdings sagen, dass keine Impfung hundertprozentigen Schutz bieten kann. Wie hoch der Schutz durch die Grippeschutzimpfung für den Einzelnen ist, hängt zum Beispiel vom Zeitpunkt der Impfung vor einer Infektion ab sowie von der individuellen Immunreaktion auf den Impfstoff. Auch wenn der Impfstoff jährlich angepasst wird, können sich Abweichungen zwischen Impfstoffstamm und tatsächlich zirkulierenden Viren ergeben („Mismatch“). Außerdem verursachen viele andere Viren (z. B. RSV, Rhinoviren, SARS-CoV-2) grippeähnliche Erkrankungen. Eine Impfung schützt nicht vor diesen Erregern. Es kann also auch vorkommen, dass man grippeähnlich erkrankt, was zu Zweifeln an der Wirkung der Impfung führen kann, obwohl es sich um eine andere Erkrankung handelt.
Welche Nebenwirkungen kann eine Grippeschutzimpfung haben?
Jedes Arzneimittel mit Wirkung hat auch Nebenwirkungen. Im Fall von Grippeschutzimpfungen sind Nebenwirkungen selten und in der Regel Ausdruck der normalen Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff. Dazu zählen zum Beispiel lokale Reaktionen an der Einstichstelle wie Rötung, Schwellung oder Druckschmerz. Von der Impfung Grippe zu bekommen ist nicht möglich, denn die Impfstoffe enthalten keine vermehrungsfähigen Viren. Allerdings kann es zu Allgemeinsymptomen wie leichtem Fieber, Müdigkeit, Kopf- oder Gliederschmerzen, Frösteln kommen. Schwere allergische Reaktionen sind extrem selten und treten in der Regel sofort nach der Impfung auf, weshalb man zur Sicherheit noch kurz in der Praxis bleibt.
Fazit
Die Saison 2024/25 hat gezeigt, dass selbst bei gut passenden Impfstoffen schwere Grippewellen auftreten können – vor allem, weil die Impfquoten in vielen Altersgruppen zu niedrig sind. Die Grippeschutzimpfung bleibt allerdings ein wirksamer Schutz vor Influenza. Eine Impfung schützt zwar nicht absolut, senkt aber das Risiko schwerer Verläufe deutlich und entlastet gleichzeitig das Gesundheitssystem. Wir empfehlen die Grippeschutzimpfung ab Oktober – gerade für ältere Menschen, chronisch Kranke, Schwangere und medizinisches Personal ist sie unverzichtbar, sinnvoll ist sie aber für alle, die sich und ihr Umfeld zuverlässig vor der Grippe schützen wollen.






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